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20. Juni 2016

Friedensforschung und (De)Kolonialität

Dieser Workshop soll einer vertieften Beschäftigung mit dekolonialen Begriffen und Konzepten dienen, die Anschlussstellen an die Friedens- und Konfliktforschung, an universitäre Lehre und außeruniversitäre Bildungsarbeit sowie an soziales und zivilgesellschaftliches Engagement bieten. Ausgehend von der „Kolonialität von Wissen, Macht und Sein“ bildet die „Dekolonisierung von Wissen(schaft)“ den Horizont der Auseinandersetzung.

Zu den zu diskutierenden Kernbegriffen zählen in einem ersten Schritt analytische und/oder theoretische Konzepte im Umfeld der Grupo Modernidad/Colonialidad wie zB Kolonialität des Wissens (Edgardo Lander), Kolonialität der Macht (Aníbal Quijano), Kolonialität des Seins (Nelson Maldonado-Torres), epistemische Gewalt (Gayatri Spivak), Theo- und Egopolitik (Énrique Dussel), koloniale Differenz (Walter Mignolo), Okzidentalismus (Fernando Coronil), Epistemizid (Boaventura de Sousa Santos) ua. Darüber hinaus finden auch Konzepte aus der Debatte um indigene Methodologien Berücksichtigung (Eve Tuck, Wayne Yang, Russell Bishop, Linda Tuhiwai Smith) und es sind auch jene Konzepte von Interesse, die eine Überwindung der damit beschriebenen Problematiken ins Auge fassen, wie zB Körper- und Geopolitik des Wissens sowie Grenzdenken (Gloría Anzaldua, María Lugones, Walter Mignolo), epistemischer Ungehorsam oder Widerstand (Walter Mignolo), Lernen des Verlernens (Gayatri Spivak), Transmoderne (Énrique Dussel, Ramón Grosfoguel) ua.

Ausgehend von diesen und verwandten Begriffen und Konzepten sollen die Beiträge in eine Beziehung zu Fragestellungen, Gegenständen und Ansätzen der Friedens- und Konfliktforschung gesetzt oder aber für diese anschlussfähig gemacht werden.

Themenfelder und Leitfragen
• Was bedeutet die Dekolonisierung von Wissen(schaft) im Spannungsfeld zwischen Komplizenschaft und Widerstand, in dem sich auch die Friedens- und Konfliktforschung bewegt?

• In welchem Zusammenhang steht die dekoloniale Forderung nach epistemischem Ungehorsam mit Konzepten der Verweigerung, des zivilen Ungehorsams, gewaltfreier Aktionen, des Aufbaus von alternativen sozialen Formen sozialer Bewegungen?

• Was bedeutet und wer kann überhaupt „grenzdenken“? Was folgt daraus für friedensforschende und friedenspolitische Ansätze?

• Welche Ansätze indigener Methodologien sind mit Friedensforschung kompatibel?

• Was bedeutet die „Geo- und Körperpolitik des Wissens“ für feministische Friedensforschung und umgekehrt?

• Welche Perspektiven auf das Lernen von Gewaltstrukturen und Gewaltfreiheit bietet der Ansatz des „Lernens von Verlernen“?

• Welche Herausforderungen und Konsequenzen ergeben sich für die Friedens- und Konfliktforschung, wenn sie ihren Gewaltbegriff an der Frage des Wissens weitet und epistemische Gewalt in ihr Analyserepertoire integriert?

• Mit welchen weiteren kritischen Ansätzen ist dekoloniale Friedens- und Konfliktforschung kompatibel?

• Was bedeutet die Dekolonisierung von Wissen(schaft) in der methodologischen Reflexion sowie in der methodischen Umsetzung friedens- und konfliktforschender Vorhaben? Was sind notwendige Voraussetzungen für einen solchen Forschungsprozess und was seine Konsequenzen?

Zielgruppe
Der Workshop richtet sich an etablierte Wissenschaftler_innen ebenso wie an Doktorand_innen und fortgeschrittene MA-Studierende. Auch Personen, die nicht primär in der wissenschaftlichen, sondern in zivilgesellschaftlich-sozialarbeiterischer Friedensarbeit und sozialen Bewegungen tätig sind, können sich bewerben, insofern sie sich an einer theorieorientierten Begriffsarbeit beteiligen wollen.

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