Plattform-Archiv
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27. März 2012

Friedenslogik statt Sicherheitslogik

Unter dem Titel „Friedenslogik statt Sicherheitslogik – Gegenentwürfe aus der Zivilgesellschaft“ veranstaltete die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung in Kooperation mit der Evangelischen Akademie Loccum vom 2. bis 4. März 2012 ihre Jahrestagung. Der Einladung waren knapp 100 Teilnehmende aus allen „Milieus“ der Plattform (Wissenschaft, Menschenrechtsarbeit, Entwicklungszusammenarbeit, Friedensdienst, Friedensbildung) gefolgt.

 

Die Tagung diente einerseits der Analyse und kritischen Hinterfragung der aktuellen Sicherheitspolitik und der Gründe ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz, andererseits der Selbstreflexion der Werte und Prinzipien für eine Friedenspolitik aus zivilgesellschaftlicher Sicht und der Arbeit an möglichen Gegenentwürfen für Friedenspolitik. Ausgangspunkt war die Beobachtung einer zunehmenden „Versicherheitlichung“ vieler Lebensbereiche. Diese kommt beispielsweise in der Verdächtigung des „Fremden“, im Übergewicht militärischer Ressourcen gegenüber vergleichsweise schwachen zivilen Ressourcen sowie in einer „technisch“ orientierten Professionalisierung zum Ausdruck. Drei Leitfragen führten durch das Programm der Tagung: Wie sind die Ziele ziviler Konfliktbearbeitung im Sinne einer Friedenslogik zu bestimmen? An welchen friedenslogischen Prinzipien messen wir uns? Was wollen wir weiter bearbeiten?

 

Arbeitsgruppen

Drei Vorträge von wissenschaftlicher Seite und sechs Arbeitsgruppen boten den Rahmen für lebhafte Diskussionen. Lothar Brock schlug in seinem Vortrag über „Reflexive Friedenspolitik – Zivilgesellschaftliches Engagement in der Weltgesellschaft“ den Bogen von dem allgemeinen völkerrechtlichen Gewaltverbot der Charta der Vereinten Nationen zur Friedenförderung durch Konflikttransformation. Er problematisierte die Entgrenzung des Friedens- und Sicherheitsverständnisses. Sabine Jaberg analysierte in ihrem Vortrag „Das Mantra ‚Sicherheit’ – Handlungslogiken, Prinzipien, Interessen“ die gängige Sicherheitslogik. Sie kritisierte deren Selbstbezüglichkeit und forderte eine Beschränkung des Sicherheitsbegriffes auf „personale Großgewalt“. Hanne-Margret Birckenbach machte am Beispiel Syrien deutlich, wie eine der Friedenslogik verpflichtete Politik in einem solchen Fall zu konkretisieren sei und zur Konflikttransformation beitragen könnte. Die Arbeitsgruppen zu Friedensdiensten, Menschenrechten, zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, zur Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit und Friedensbildung gaben den Teilnehmenden die Gelegenheit, sich zu den Prinzipien und Kriterien im Sinne einer Friedenslogik und Möglichkeiten der Realisierung im eigenen Handeln als auch für die staatliche Politik auszutauschen.

 

Die Tagung brachte wichtige Impulse für die weitere Arbeit der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung. Ausgewählte Ergebnisse sind:

• Sicherheit ist dem Frieden im Sinne „menschlicher Sicherheit“, auch dem Schutz vor Gewalt, hierarchisch klar nachgeordnet. Das Konzept der „vernetzten Sicherheit“ wird nach wie vor als Synonym von Sicherheitslogik abgelehnt. Erinnert wurde an die positive Wirkung der Politik der „gemeinsamen Sicherheit“ zur Auflösung der Blockkonfrontation im Kalten Krieg.

• Friedenslogik ist unter anderem an die Prinzipien und Normen gebunden, die sich aus den Menschenrechten, der Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse, der Reduktion von Gewalt, dem Primat der zivilen Konfliktbearbeitung und dem do no harm-Ansatz ergeben.

• Friedenslogik erfordert kohärentes Handeln. Die Probleme von Migration und Asyl legen beispielhaft dar, dass Frieden gleichzeitig auf außen- und innenpolitischen Handlungsfeldern zu erarbeiten ist. Nicht unsere eigenen, selbstbezüglichen Interessen dürfen dabei im Vordergrund der Politik stehen, sondern die der betroffenen Menschen.

 

Gegenstand der Diskussion war auch der Entwurf eines vom Sprecherrat der Plattform vorgestellten Appells an Politik und Gesellschaft „Friedenslogik statt Sicherheitslogik – eine umfassende Neuausrichtung deutscher Friedenspolitik ist erforderlich“. Dieser Text soll auf der Grundlage der Ergebnisse der Tagung und in der Perspektive der Bundestagswahl 2013 überarbeitet werden.

 

Die nächste Jahrestagung der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung findet vom 7. bis 9. März 2013 in Bonn statt.

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