Grundrechte-Report 2016
Komitee für Grundrechte und Demokratie - Pressemitteilung - 14. Juni 2016 - Am heutigen Tage wurde der Grundrechte-Report 2016 von Ilija Trojanow in Karlsruhe der Öffentlichkeit präsentiert. Der von acht namhaften Bürgerrechtsorganisationen herausgegebene Report zieht eine kritische Bilanz zum Umgang mit den Bürger- und Menschenrechten in Deutschland im Berichtsjahr 2015.
Ilija Trojanow erklärte anlässlich der Präsentation des Grundrechte-Reports: "Die Lage der Grundrechte ist der wichtigste Seismograph für die Haltung von Staat und Gesellschaft zu Freiheit und Würde der Menschen. Die scheinbar in Steingemeißelten Grundrechte müssen täglich neu erkämpft und verteidigt werden."
Der Grundrechte-Report 2016 ist der 20. und dieses kleine `Jubiläum´ war Anlass für die Redaktion, nicht nur das Vorwort des allerersten Reportsvon 1997 voranzustellen, sondern auch in drei einleitenden Artikeln einen Rückblick auf die letzten 20 Jahre zu geben. So ruft Martin Kutscha in seinem Beitrag in Erinnerung, dass die aktuelle Festlegung sicherer Herkunftsstaaten im Flüchtlingsrecht zurückgeht auf die Amputation des Asylgrundrechts vor gut 20 Jahren; zum Stichwort Sicherheitswahn zeichnet er einen anderen `Fortschritt´ nach: „vom singulären Lauschangriff zur elektronischen Massenüberwachung“. Dies beinhaltet, wie der Mitherausgeber Rolf Gössner in seinem Beitrag vertieft, durchaus auch Wirtschafts- und Regierungsspionage: „Ausspähen unter Freunden – geht doch!“ Hilfreich sind dabei die vielen fleißigen Mitarbeiter namens Selektoren, wie wir jüngst lernen konnten, die allerdings bereits vor 20 Jahren im Dienst waren. Ebenfalls von Heimlichkeit, Verharmlosung und Lügen gekennzeichnet ist die Atommüllpolitik der jüngeren Vergangenheit, die Ulrike Donat dekonstruiert und kommentiert: „Eine ernsthaft demokratische Atommüllpolitik würde gescheiterte Konzepte beerdigen“, z.B. die „Chimäre Gorleben“ als Endlagerstandort.
Ein Schwerpunkt im eigentlichen `Berichtsteil´ ist – natürlich – erneut der Umgang mit Flüchtlingen. Dabei lautet die Übersetzung von liberté, égalité und fraternité aktuell Grenzkontrollen, Stacheldrahtzäune, Kriegsschiffe (vgl. Kopp: „Schlepperbekämpfung“ im zentralen Mittelmeer). Gelingt es nicht, die Flüchtlinge fernzuhalten, lautet der Dreiklang Tröglitz, Freital, Heidenau – Chiffren des Jahres 2015 für eskalierende Gewalt und rassistische Stimmungsmache gegenüber Flüchtlingen (vgl. Reinfrank: Neue Koalition des Hasses).
Der Friedensaktivist Hermann Theisen berichtete während der Präsentation des Grundrechte-Reports, wie sein politischer Kampf gegen die nuklear-militärische Teilhabe Deutschlands zu immer weiteren Gerichtsverfahren gegen ihn führt. Briefe an Ratsmitglieder wurden (rechtswidrig) beschlagnahmt, der Forderung nach öffentlicher Auseinandersetzung wird mit Strafverfahren begegnet (vgl. Steven: Briefgeheimnis und Meinungsfreiheit).
Der jährliche Report zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland zieht auch in seinem 20. Erscheinungsjahr mit 36 Beiträgen kritisch Bilanz zum Zustand der Grundrechte. Der bei FISCHER Taschenbuch erscheinende, 1997 erstmals veröffentlichte Grundrechte-Report beschrieb sich damals im Vorwort selbst als "alternativer Verfassungsschutzbericht". Im Laufe der Jahre konnte er aufzeigen, dass Grundrechte am effektivsten durch ihre engagierte Wahrnehmung verteidigt werden, am wenigsten aber durch staatliche Behörden, die sich mit dem Prädikat »Verfassungsschutz« schmücken. Nachdem beiden Geheimdiensten ein „Skandal“ den anderen ablöst, reicht es nicht mehr, ihnen jedes Mal die gelbe Karte zu zeigen, sie müssen mit Rot endlich aus dem Spiel genommen werden. Jedenfalls ist der Grundrechte-Report mittlerweile kein alternativer Verfassungsschutzberichtmehr, sondern der einzig wirkliche.
Grundrechte-Report 2016 – Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland; Herausgeber: T. Müller-Heidelberg, E. Steven, M. Pelzer, M. Heiming, H. Fechner, R. Gössner, H. Niehaus und K. Mittel; Preis € 10,99; 224 Seiten; ISBN 978-3-596-03588-5; FISCHER Taschenbuch; Juni 2016.