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3. Oktober 2014

Kein militärisches Engagement im Irak!

Pax Christi Pressemitteilung vom 22. 09. 2014 - Die US-Administration verwendet seit den Gedenkveranstaltungen zum 11.09.2014 offiziell die Formel eines Kriegs gegen den "IS". pax christi warnt vor jeder Beteiligung an einem solchen "Krieg".

 

Die Ereignisse im Sindschar-Gebirge im August 2014 mit der Ermordung und Vertreibung der jesidischen Bevölkerung haben eine voreilige weltweite Zustimmung zu den darauf folgenden Luftangriffen des US-Militärs gegen den "IS" und zu Waffenlieferungen an die kurdische Konfliktpartei ausgelöst. Auch die Bundesregierung hat die Weichen für eine Beteiligung an diesen Waffenlieferungen gestellt. Nun ist die US-Außenpolitik dabei, ein umfassendes Bündnis gegen die Dschihadisten zusammenzubringen und hat es auf einer Strategiekonferenz in Paris auch schon untermauert.

 

Diesem militärisch-kriegerischen Bündnis müssen sich die deutsche Bundesregierung und darüber hinaus die politisch Verantwortlichen der EU verweigern. Schon seine Zusammensetzung mit der Beteiligung von Saudi-Arabien, Katar und der Türkei, die den "IS" mindestens indirekt unterstützten, und der USA als anführender Macht zeigt seine Unglaubwürdigkeit. In einem weiteren Krieg in der Region mitzumachen bedeutet die Fortsetzung der katastrophalen Politik, die v.a. die USA vor zwölf Jahren mit dem Irakkrieg begonnen haben. Die Kriege gegen Irak und Libyen haben eine Destabilisierung in der arabischen Welt verursacht, deren Ausmaß sich mit dem Aufkommen des "IS" jetzt in seiner ganzen Tragweite zeigt. Die zugelassene und aktiv geförderte Vertiefung konfessioneller Gegensätze im Islam, das Entstehen zahlloser militanter Splittergruppen und die beispiellose Proliferation von Waffen unter Beteiligung von an Parlamenten und Regierungen vorbei agierenden Geheimdiensten haben diese Destabilisierung perpetuiert.

 

Ein im Raum stehendes Übergreifen der Luftangriffe gegen den "IS" auf Syrien würde einen klaren Bruch der Souveränität Syriens und damit des Völkerrechts bedeuten. Deshalb ist mehr als alles andere jetzt ein entschiedenes Handeln der Vereinten Nationen notwendig, auf das die deutsche Bundesregierung hinarbeiten muss. Schon die laufenden Luftangriffe im Irak und die Unterstützung mit Waffenlieferungen entbehren eines UN-Mandats.

 

Die Ausweitung auf Syrien ist mit der großen Gefahr der Entstehung eines internationalen bewaffneten Konflikts verbunden, in den Russland, der Iran oder gar die NATO hineingezogen werden könnten. pax christi ist sich der Verpflichtung zu einer Schutzverantwortung für die bedrohten Christ/innen und Jesid/innen in der Region bewusst. Gleichzeitig sind die Konsequenzen zu bedenken, die ein vorrangig bewaffnetes, kriegerisches Eingreifen haben wird, das die Situation insgesamt zu verschlimmern droht. Stattdessen müssen andere Wege beschritten werden:

 

  • die deutliche Identifikation und öffentliche Anprangerung der Unterstützer des "IS",
  • die Austrocknung dieser Quellen und ein internationales, auch polizeilich- juristisches Vorgehen gegen Verantwortliche und direkte wie indirekte Unterstützer des "IS",
  • die Verabredung von humanitären Korridoren und anderen geeigneten Instrumenten zu einem wirklichen Schutz der Bevölkerung – auch mit den Regierungen Syriens und des Iran,
  • die erheblich verstärkte Bereitschaft zur Aufnahme von Geflohenen und schwerpunktmäßig humanitäre Hilfsmaßnahmen,
  • und dies alles unterstützt durch starke Signale von Seiten der UN, die das Primat einer Weltinnenpolitik wiederherstellen helfen.

 

Völlig kontraproduktiv ist die Absicht der US-Regierung, "gemäßigte" syrische Rebellen, soweit noch nicht geschehen, zu bewaffnen! Auch die deutschen Waffenlieferungen an die kurdische Konfliktpartei im Irak müssen eingestellt, bzw. zurückgerufen werden, erst recht darf es keine Ausbildung an ihnen vor Ort  durch Bundeswehrangehörige geben.

 

Wir unterstützen den Aufruf des maronitischen Patriarchen Bechara Rai an den "IS" zum Dialog im Namen der Menschlichkeit, und stellen uns hinter den chaldäisch-katholischen Bischof Antoine Audo und den Präsidenten von Caritas Internationalis, Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, die sich aus Sorge um ihre Glaubensgeschwister und im Interesse der Erfolgschancen humanitärer Hilfe gegen Luftangriffe der US-geführten Militärallianz ausgesprochen haben.