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30. August 2013

Keine Militärintervention in Syrien!

Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag  vom 27. August 2013: Zum bevorstehenden Antikriegstag gaben die Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag eine Erklärung ab, in der die wesentlichen Anlässe und Themen für die Friedens- und Gewerkschaftsbewegung zusammengefasst sind.

 

Vor 74 Jahren, am 1. September 1939, begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der schrecklichste Krieg in der Geschichte der Menschheit. Die faschistische Wehrmacht und ihre Verbündeten (v.a. Japan in Ostasien) tragen die Verantwortung für rund 60 Millionen Kriegstote; allein sechs Millionen Juden, Sinti und Roma wurden in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern systematisch ermordet. Die Lehre aus den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts lautete: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus! Daran erinnern auch in diesem Jahr wieder Gewerkschaften und Friedensbewegung, die im ganzen Land über 200 Veranstaltungen in mehr als 120 Orten durchführen - häufig auch gemeinsam.  Die häufigsten Themen, die bei den zahlreichen Veranstaltungen, Mahnwachen, Demonstrationen und Kundgebungen angesprochen werden, sind die bedrohlichen Konflikte im Nahen Osten und im arabischen Raum, die Rüstungspolitik der Bundesregierung, die Militarisierung des gesellschaftlichen Lebens sowie generell die Rückkehr des Krieges in die Politik.

 

Der erbittert geführte Bürgerkrieg in Syrien, an dem längst auch auswärtige Mächte direkt oder indirekt beteiligt sind, rührt zu Recht an das Gewissen der Menschen auch in unserem Land. Der vermutete Einsatz von Giftgas in diesem Krieg darf indessen weder zu voreiligen einseitigen Schuldzuweisungen an die Adresse der Regierung in Damaskus noch zu militärischen "Antworten" der "internationalen Gemeinschaft" führen. Bisher stehen Aussagen der "Rebellen" gegen Aussagen der Regierung: Beide Seiten sind fest entschlossen, den bewaffneten Konflikt, der bereits über 100.000 Menschen das Leben gekostet hat, für sich zu entscheiden. Nachdem gerade in den letzten Wochen die Regierungskräfte an Boden gewonnen und manche Rebellen-Stellung zurückerobert haben, stellt sich die Frage, welchen Sinn ein Giftgasangriff machen würde. Doch von wem auch immer diese Verbrechen gegen das humanitäre Kriegsvölkerrecht begangen wurden, eine bewaffnete Intervention des Westens in Syrien würde zu einer unkontrollierten Eskalation des Krieges führen mit einer Vielzahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung. Ein verheerender Flächenbrand im Nahen Osten wäre dann kaum noch aufzuhalten. Der Bundesausschuss Friedensratschlag fordert daher weiterhin: Unabhängige Untersuchung der Giftgasvorwürfe - sofortige Einberufung einer schon länger geplanten internationalen Konferenz - Keine Militärintervention in Syrien! Bundesregierung und Bundestag werden aufgefordert, sich etwaigen Kriegsplanungen der NATO zu verweigern.

In Syrien und in anderen Konfliktregionen zeige sich einmal mehr, dass wirkungsvolle Kriegsvermeidung bei der Produktion und beim Export von Waffen beginnt. Rüstungsgüter gehen von Deutschland in etwa 80 Staaten der Erde, darunter viele Entwicklungsländer. Besonders beliebt sind Waffen Made in Germany im Nahen und Mittleren Osten: Geliefert wird unterschiedslos an Saudi-Arabien, Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und Kuwait - Staaten, die entweder wegen ihrer Missachtung der Menschenrechte oder wegen ihrer Verstrickung in regionale Dauerkonflikte nie und nimmer deutsche Waffen erhalten dürften. Im DGB-Aufruf zum Antikriegstag sowie in fast allen lokalen Aufrufen der Friedensbewegung steht das Rüstungsthema obenan auf der Agenda. Gedanken machen sich die Gewerkschaften auch über die Zukunft der deutschen Rüstungsindustrie. "Zivile Produktion statt Rüstungsexporte", heißt es im DGB-Aufruf. Konkret wird ein Konversionsprogramm für die betroffenen Unternehmen verlangt. Sie müssen "ihre Produktpalette diversifizieren" und "den Anteil an zivilen Produkten ausbauen". Vor allem an den bedeutenden Standorten der Rüstungsindustrie wie in Kiel, Hamburg, Bremen und Kassel ist das Thema zentraler Bestandteil der Aktionen zum diesjährigen Antikriegstag.

In allen Aufrufen zum Antikriegstag 2013 werden die Auslandseinsätze der Bundeswehr (von Afghanistan bis Mali) verurteilt und Regierung und Bundestag an den Grundgesetz-Auftrag erinnert, wonach die Bundeswehr nur der Landesverteidigung zu dienen habe. Bundesregierung und NATO sollten sich von allen Planungen verabschieden, über das Jahr 2014 hinaus Streitkräfte in Afghanistan zu belassen. Im DGB-Aufruf heißt es deutlich: "Die Bundeswehr soll vollständig aus Afghanistan abgezogen werden."

Friedensbewegung und Gewerkschaften fordern eine Kehrtwende der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Sie muss beginnen mit der Abkehr von der allgegenwärtigen Bespitzelung der Bevölkerung durch ausländische oder inländische Geheimdienste. Der vom Whistleblower Edward Snowden enthüllte NSA-Skandal ist kaum noch in Worte zu fassen. Ins Visier der US-Geheimdienste geraten nicht nur mutmaßliche "Feinde", sondern auch befreundete Regierungen und - wie zuletzt bekannt geworden - die Vereinten Nationen. Diesem Geheimdienstspuk und der Kumpanei von NSA und BND muss ein Ende bereitet werden! Unsere Solidarität gehört Bradley Manning, der Kriegsverbrechen der USA in Irak und Afghanistan öffentlich gemacht hat und dafür zu 35 Jahren Haft verurteilt wurde.

"Unsere Geschichte verpflichtet uns zum entschiedenen Widerstand gegen jede Form von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus", heißt es im DGB-Aufruf 2013. Den Ideologen und Mitläufern der Neonaziszene, den "freien Kameradschaften, der NPD, der fremdenfeindlichen "Pro Deutschland" und allen anderen rechtsradikalen Vereinigungen müssen wir entschieden entgegentreten. Wie in Dresden und anderen Orten, in denen es gelungen ist, Aufmärsche der rechten Szene nachhaltig zu verhindern. "Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen." Das Verbot aller neonazistischen Organisationen ist ebenfalls ein Vermächtnis des Sieges der Alliierten über den Hitler-Faschismus. Diesen Fragen widmet sich die traditionelle Gedenkkundgebung in Kassel, die am Antikriegstag (1. September) bereits am frühen Morgen um 5:45 am Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus stattfindet. Die vielen lokalen Aktionen und Veranstaltungen zum Antikriegstag im ganzen Land beginnen aber schon am 30. August und dauern noch die ganze erste Septemberwoche.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Lühr Henken, Berlin
Peter Strutynski, Kassel