Krieg in Gaza: Unabhängige Untersuchungskommission nötig
medico international Pressemitteilung - Anlässlich der Sondersitzung des UN-Menschrechtsrechtsrates (23.7.2014; Genf) zu Gaza fordert die Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international von der Bundesregierung die Zustimmung zur Einrichtung einer unabhängigen Untersuchungskommission der Vereinten Nationen. Diese müsse den zahlreichen Hinweisen auf Verstöße gegen internationales Recht im Rahmen der Kämpfe zwischen Israel und bewaffneten Palästinensergruppen nachgehen, welche die israelischen medico-Partner Ärzte für Menschenrechte Israel (PHR-IL) und Adalah, sowie das Al Mezan Menschenrechtszentrum aus Gaza dokumentiert haben.
Laut PHR-IL wurden inzwischen mehr als 1000 Häuser im Gazastreifen komplett zerstört und weitere 18.500 durch Angriffe der israelischen Armee beschädigt. Mitarbeiter von Al Mezan haben 464 zerstörte Häuser vor Ort genauer untersucht und Nachbarn befragt. Bei zwei leerstehenden Häusern wurden Spuren militärischer Nutzung durch Hamas-Kämpfer festgestellt. Bei den restlichen Häusern handele es sich um Wohnhäuser ohne Spuren von Waffen oder anderer militärischer Ausrüstung.
Mahmoud Abu Rahma, Menschenrechtsanwalt bei Al Mezan in Gaza-Stadt berichtet: „Unsere Nachforschungen ergaben, dass es sich bei den Hunderten Toten zu fast 80% um Zivilisten handelt. Rund die Hälfte der Opfer starben in den Trümmern ihrer Häuser. Die Warnungen der israelischen Armee sind vollkommen unzureichend und inakzeptabel. Aber selbst wenn die Warnungen erfolgreich wären, verwandeln sich ein Wohnhaus oder seine Einwohner damit immer noch nicht in ein legitimes militärisches Ziel.“ Gemäß internationalem Recht hätten Angriffe, bei denen nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterschieden werden kann, zu unterbleiben um zivile Opfer zu vermeiden.
In einem offenen Brief an den israelischen Generalstaatsanwalt führen PHR-IL und die Menschenrechtsorganisation Adalah zahlreiche Fälle unverhältnismäßiger Gewalt und Angriffe auf Zivilisten auf. Die Verstöße der Hamas gegen internationales Recht dürften nicht dazu führen, dass Israel es seinerseits ignoriere. "Es gibt keine sicheren Gebiete, in denen die Bewohner des Gazastreifens Schutz finden können. Die Militärs können also auch nicht behaupten, dass sie ausreichende Vorkehrungen getroffen hätten, um Schaden von der Zivilbevölkerung abzuwenden", sagt Ran Cohen vom medico-Partner Ärzte für Menschenrechte Israel.
Hassan Jabareen, Adalah-Geschäftsführer aus Haifa, ergänzt: „Aufgrund der siebenjährigen Blockade lebt ein großer Teil der Bevölkerung des Gazastreifens am Existenzminimum. Der Krieg macht alles noch schlimmer und führt zu einer humanitären Krise. Mehr als 100.000 Binnenvertriebene leben in Notunterkünften oder bei Verwandten. Über 1,2 Millionen Menschen haben keinen oder kaum Zugang zu Wasser oder sanitären Einrichtungen und 80% der Bevölkerung bekommt Strom nur vier Stunden pro Tag.“ Außerdem fehle es an Medikamenten und medizinischer Hilfe.
“Insbesondere die Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, Krankenhäuser, Rettungswagen, Sanitäter und Patienten sind besorgniserregend und stellen schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die Genfer Konventionen dar“, erläutert Riad Othman medico-Büroleiter in Israel und Palästina.
Der Nahe Osten gehört zu den ältesten Projektregionen von medico international. Zzt. unterstützt die Frankfurter NGO neben der Menschenrechtsarbeit ihrer Partner auch die medizinische Nothilfe im Gazastreifen.
Bericht von Riad Othman, Leiter des medico-Büros in Israel und Palästina (10. Juli 2014)