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5. Oktober 2011

Menschenrechtspreis der Friedrich Ebert Stiftung 2011

Am 19. September 2011 hat die Friedrich Ebert Stiftung den an den Tunesier Slim Amamou und den verstorbenen Ägypter Kahled Said den diesjährigen Menschenrechtspreis der Stiftung verliehen. Die Laudatio hielt Joachim Gauck. Für den verstorbenen Said hat dessen Schwester Zarah Kassem die Ehrung entgegen genommen und an der Podiumsdiskussion teilgenommen.

 

Zum politischen Kontext: Die Region des Nahen/Mittleren Ostens und Nordafrikas (MONA) leidet unter einem ausgeprägten Demokratie- und Entwicklungsdefizit, das ursächlich auf ein hohes Ausmaß politischer Konflikte und autoritärer Strukturen der meisten Regime zurückzuführen ist. Der Arab Human Development Report identifiziert neben dem weltweit geringsten Freiheitsgrad - gemessen an bürgerlichen und politischen Menschenrechten - auch die geringste politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Beteiligung von Frauen sowie eines der schlechtesten Bildungssysteme als zentrale Defizite. Außerdem leiden die Bevölkerungen in Maghreb und Mashrek vor allem unter sozialer Ungleichheit, Armut, Korruption und polizeilicher Willkür.

Die Machthaber halten teilweise seit Jahrzehnten die Zügel der Macht in ihren Händen und stützen sich dabei auf engmaschige Patronagesysteme und die Gewalt der Sicherheitsapparate. Die Despotien in der MONA-Region verstoßen damit gegen eine Vielzahl der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie in den UN-Menschenrechtspakten kodifizierten Rechte.

Fast überall in der arabischen Welt erleben wir seit Dezember 2010 Proteste gegen Diktatur und Willkürherrschaft. Die Proteste sind dabei sowohl der Versuch, politische Reformen zu erzwingen, als auch ein würdevolles Leben im Sinne der Allgemeinen Menschenrechtserklärung einzufordern.

 

Source: http://www.fes.de/international/nahost/inhalt/rueckbl.htm

Die Preisträger

Die Regimewechsel in Tunesien und Ägypten wären ohne den großen Einsatz der an den Protesten beteiligtenMenschen unmöglich gewesen. Unter Gefährdung ihrer Gesundheit und ihres Lebens gingen Hunderttausende, teilweise zum ersten Mal in ihrem Leben, zum Demonstrieren auf die Straßen. Stellvertretend für die Demokratiebewegung in Tunesien und Ägypten möchte die Friedrich-Ebert-Stiftung zwei wichtige Akteure und Symbolfiguren des Freiheitskampfes mit dem Menschenrechtspreis 2011 ehren.

Der Erfolg der Protestbewegung in Tunesien und Ägypten hing zu einem Großteil auch von der Möglichkeit zur Organisation und Koordination über das Internet und neue soziale Medien ab. Gerade in der Anfangsphase der Demonstrationen kam hierbei jungen und medienaffinen Menschen eine besondere Bedeutung zu. Internetaktivisten und Blogger hatten über Jahre von den Problemen der Menschen sowie den Machenschaften der Regime online berichtet. Die grassierende Korruption, die drückende Armut, die Perspektivlosigkeit der Jugend sowie die gewaltsame Unterdrückung der Bevölkerung durch Sicherheitsdienste und Polizei wurden von ihnen engagiert und mutig festgehalten; vielfach unter Gefährdung ihrer Gesundheit und ihres Lebens.

 

Slim Amamou, geb. 1977 in Tunis, Informatiker, Blogger und Internetaktivist, gilt als einer der bedeutendsten Kämpfer für die Meinungsfreiheit in Tunesien. Während der letzten Tage des Ben-Ali-Regimes saß er in Haft und ist zu einer Symbolfigur der Demokratiebewegung geworden. Nach dem Sturz Ben Alis übernahm er in der  Übergangsregierung vorübergehend das Amt des Staatssekretärs für Jugend und Sport, legte das Amt jedoch bald wieder nieder, um auf andere Art am Aufbau einer demokratischen Gesellschaft mitzuwirken.

 

Khaled Said (geb. 1982, verstorben 2010, Ägypten), Internetaktivist und Blogger, wurde am 6. Juni 2010 in Alexandria von zwei Polizisten brutal zu Tode geprügelt. Er hatte u.a. Videos ins Internet gestellt, die Polizisten bei Misshandlungen und Rauschgiftgeschäften zeigten. Das Foto von Saids Leiche wurde im Internet veröffentlicht und führte zu massiven Protestaktionen und zur Gründung der Bewegung „Wir sind alle Khaled Said“. Aufgrund der Proteste räumte die Regierung schließlich ein, dass Geheimpolizisten für seinen Tod verantwortlich seien. Seither ist Khaled Said zu einer Symbolfigur für die Revolution in Ägypten geworden.

 

Begründung für die Nominierung

 

Quelle: Friedrich Ebert Stiftung