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20. November 2015

Reporter ohne Grenzen ehrt Syrerin Zaina Erhaim als Journalistin des Jahres

Reporter ohne Grenzen (ROG) hat die Syrerin Zaina Erhaim als Journalistin des Jahres 2015 ausgezeichnet. Erhaim entschied sich 2013 zur Heimkehr aus dem sicheren Ausland und hat seitdem in Syrien fast 100 Bürgerjournalisten ausgebildet. Außerdem unterstützte sie die Gründung einer ganzen Reihe unabhängiger Zeitungen und Zeitschriften.
"Zaina Erhaim beweist durch ihren unermüdlichen Einsatz, dass eine alternative Berichterstattung über den Krieg in Syrien möglich ist", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Sie ist ein Beispiel dafür, wie Journalisten selbst unter gefährlichsten Bedingungen den Kampf um Unabhängigkeit und um eine menschliche Perspektive auf einen scheinbar ausweglosen Konflikt nicht aufgeben."

Als Bürgerjournalisten des Jahres würdigt ROG das äthiopische Blogger-Kollektiv Zone9, dessen Mitglieder wegen ihres Einsatzes für unabhängige Informationen über die Zustände im Land von Regierung und Justiz drangsaliert werden und mehr als ein Jahr im Gefängnis verbrachten. Zum Medium des Jahres hat die Jury die türkische Tageszeitung Cumhuriyet gekürt, die wegen ihrer Berichterstattung über Tabuthemen wie die Kurdenfrage und den Genozid an den Armeniern mit Klagen, Internetsperren und Verleumdungskampagnen überzogen wird.

Zu den Nominierten für die Auszeichnung als Journalist des Jahres gehörten auch Markus Beckedahl und André Meister vom Blog netzpolitik.org. Die Preise wurden bei einer Veranstaltung in Straßburg am 17.11.2015 verliehen.

Die Preisträgerin Zaina Erhaim arbeitete von 2004 bis 2010 in Syrien für verschiedene Medien wie das Nachrichtenportal Syria News, den Fernsehsender Orient TV und die Zeitung Al-Hayat. Nachdem sie in London einen Master in Journalismus absolviert hatte, gab sie zwei Jahre später eine Stelle bei der BBC auf, um nach Syrien zurückzugehen. Dort hat sie fast 100 Bürgerjournalisten in der Arbeit für unterschiedliche Mediengattungen geschult, davon ein Drittel Frauen.

Erhaim koordiniert auch ein Ausbildungsprojekt in Syrien für das Institute for War and Peace Reporting. Viele ihrer Schüler haben inzwischen Reportagen in großen internationalen Medien veröffentlicht. "Ich wollte Syrien in den großen Blättern sehen, ohne dass es nur um Katastrophen und Massaker geht", sagte Erhaim kürzlich der Zeitung Arab Weekly zu ihrer Motivation. "In der westlichen Medienberichterstattung fehlt leider die menschliche Dimension des Syrien-Konflikts. Man findet nur Artikel über den Islamischen Staat und seine Massaker."

In den mehr als viereinhalb Jahren des Konflikts in Syrien sind dort mindestens 48 Berufsjournalisten und mehr als 140 Bürgerjournalisten wegen ihrer Arbeit getötet worden. Derzeit sitzen mehr als 60 Medienschaffende in den Gefängnissen des syrischen Regimes, werden von bewaffneten Gruppen als Geiseln gehalten oder gelten als vermisst. Wer weiter aus dem Land berichtet, ist ständigen Drohungen und Schikanen ausgesetzt und riskiert verhaftet, entführt oder ermordet zu werden.

Einen Hoffnungsschimmer bilden die vielen neugegründeten Medien und die große Zahl von Bürgerjournalisten, die ihr Leben riskieren, um Informationen über die Lage in ihrem Land an ausländische Medien zu übermitteln. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Syrien auf Platz 177 von 180 Ländern.

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