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19. März 2017

Selbstreflexivität – ein Beitrag zu Frieden und Sicherheit?

Die aktuelle Politik folgt einem Paradigma: Probleme, die für Deutschland und seine Verbündeten auch zur militärischen Herausforderung werden, verursachen stets die anderen. Demgegenüber geraten die eigenen Anteile an der Problemgenese aus dem Blick. Beispielsweise bürdet der Westen allein Russland die Verantwortung für das Scheitern einer europäischen Friedens- und Sicherheitsordnung auf. Aber müsste nicht auch das Agieren der NATO nach dem Ende des globalen Macht- und Systemkonflikts als entscheidender Faktor betrachtet werden? Und die Piraterie am Horn von Afrika gilt hierzulande überwiegend als regionales Produkt aus Staatsversagen und organisierter Kriminalität. Hätte aber die desaströse Fischräuberei und Giftmüllverklappung, von denen auch der Westen profitiert, nicht die gleiche Aufmerksamkeit verdient gehabt, weil sie die Fischer in die Arme der Piraten treiben? Solche kognitiven Schieflagen existieren nicht nur in der Sicherheitspolitik. Die friedenspolitischen Konzepte der zivilen Konfliktintervention sowie des state and nation building sehen Krieg, Gewalt und Flucht exklusiv in den Krisenregionen selbst verursacht. Der Westen geriert sich hier als Opfer, allenfalls noch als Helfer in der Not. Aber ist er nicht zumindest in einigen Fällen auch Mitverursacher? Gehörten seine Rüstungsexporte oder seine ruinöse Wirtschafts- und Handelspolitik nicht ganz oben auf die Agenda?

Also: Führt mangelnde Selbstreflexion in der Friedens- und der Sicherheitspolitik nicht zu einer verzerrten Analyse? Vielleicht verschließt sie sogar den  entscheidenden strategischen Handlungsraum? Denn eigentlich müsste es doch leichter fallen, das eigene Verhalten zu korrigieren, als andere Akteure zu steuern oder gar fremde Gesellschaften umzugestalten. S+F 4/2017 stellt daher Selbstreflexivität ins Zentrum. Die Aufsätze hätten sie dann auf ihren tatsächlichen bzw. möglichen Beitrag für Frieden und/oder Sicherheit zu untersuchen. Dabei können sie in einem breiten Spektrum angesiedelt sein: Theoretische Erörterungen zum Prinzip der Selbstreflexivität und konzeptionelle Ausgestaltungen selbstreflexiver Friedens- und Sicherheitspolitik sind ebenso willkommen wie Analysen, die historische und aktuelle Politiken auf ihren selbstreflexiven Anteil abprüfen. Autoren und Autorinnen können nicht nur der Friedens-, Sicherheits- und Konfliktforschung entstammen, sondern auch anderen wissenschaftlichen Disziplinen etwa der Philosophie, Geschichtswissenschaft oder der Friedenspsychologie und Friedenspädagogik angehören.  

Die Beiträge müssen spätestens am 1. Juni 2017 bei der verantwortlichen Mitherausgeberin (sabine.jaberg(at)t-online.de) eingegangen sein. Gerne können vorab ein- bis zweiseitige Problemaufrisse geschickt werden. Die Skripte werden von Dr. Sabine Jaberg geprüft und gegebenenfalls einem anonymen Gutachterverfahren unterzogen. Texte können in deutscher, aber auch englischer Sprache verfasst sein und sollten 25.000 bis 30.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) umfassen. 

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