Bericht über die Jahrestagung 2022
Ein Bericht von Ute Finckh-Krämer, Ko-Vorsitzende des Sprecher*innenrats der Plattform ZKB
Transformation: Bedrohung – Herausforderung – Chance? Umgang mit Transformationskonflikten weltweit. Unter diesem Titel stand die diesjährige Jahrestagung der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung, die Anfang April gemeinsam mit der Evangelischen Akademie Bad Boll veranstaltet wurde. Aufgrund der Pandemie war die Vorbereitungsgruppe rechtzeitig auf ein rein digitales Format umgestiegen. Es nahmen insgesamt etwa 60 Menschen daran teil.
Zum Auftakt gab es einen kurzen Impuls von Dr. Jürgen Zattler, dem Leiter der Abteilung 4 (Internationale Entwicklungspolitik; Agenda 2030; Klima) im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Er schilderte insbesondere eine konkrete Projektlinie: das BMZ fördert und unterstützt die Dekarbonisierung in Ländern des globalen Südens, die bereits entschieden haben, ihre Energieversorgung zu transformieren. In der Republik Südafrika steht eine ähnliche Transformation wie in den Regionen Ruhrgebiet oder in der Lausitz an, die vom Kohlebergbau leben. Auch dort muss berücksichtigt werden, dass Arbeitsplätze im Kohlebergbau kurzfristig wegfallen, Chancen für neue Arbeitsplätze in den betreffenden Regionen entstehen aber erst mittelfristig. Soziale Härten müssen also erkannt und abgemildert werden. Dazu ist die Einbindung aller Stakeholder nötig, insbesondere der Arbeitgeber*innen, der Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft.
Nach einer Kleingruppen-Diskussionsphase folgte der ausführliche Einführungsvortrag „Transformationskonflikte – Herausforderungen heute“ von Prof. Dr. Klaus Dörre vom Institut für Soziologie der Universität Jena. Er beschrieb die „ökonomisch-ökologische Zangenkrise“, in der sich früh industrialisierte Länder wie Deutschland aktuell befinden, mit Hilfe zahlreicher Grafiken und statistischen Fakten. Sie machten deutlich, dass die wachsende ökonomische Ungleichheit mit einer wachsenden Ungleichheit der CO2-Fußabdrücke unterschiedlicher Einkommensgruppen verbunden ist. Er beschrieb das hohe Konfliktpotenzial dieser Entwicklung am Beispiel der Lausitz und verwies auf die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) als geeigneten Ansatzpunkt für die Gestaltung der notwendigen sozialökologischen Transformation. Er wies auch darauf hin, dass Demokrat*innen im eigenen Land dort präsent sein müssen, wo die Konflikte eskalieren.
Am zweiten Tagungstag ging es weiter mit einer Paneldiskussion, bei der zusätzlich zum Thema Klimawandel auch das zweite große Transformationsthema Digitalisierung vorgestellt wurde. Anthea Bethge (EIRENE) erläuterte am Beispiel eines Projektes des Zivilen Friedensdiensts im Tschad, dass die Klimakrise dort nicht – wie bei den Beschäftigten der Kohleindustrie – zu konfliktträchtigen Statusverlusten führt, sondern buchstäblich zum Kampf ums Überleben. Hier bedeutet die Transformation längst Anpassung an eine sich immer schneller verändernde Umwelt. Julia Hofstetter (ICT4Peace) stellte ihre Forschungsergebnisse zu Digitalisierung und Konflikt vor. In der Diskussion mit Klaus Dörre und dem Publikum wurden weitere Beispiele genannt und diskutiert.
Es folgten vier Arbeitsgruppen, in denen jeweils mit weiteren Referierenden einzelne Aspekte des Umgangs mit Transformationskonflikten diskutiert wurden: die Frage nach rassismus- und diskriminierungssensibler Transformation, ein konkretes Praxisbeispiel aus Kenia, die friedenslogische Sicht auf Transformationskonflikte und zwei Praxisbeispiele aus deutschen Kommunen (Weißenfeld und Hohe Börde). Dabei wurden allen Gruppen vier Leitfragen mitgegeben: Was macht Transformationskonflikte besonders? Was muss ZKB in Bezug auf Transformation besonders beachten? Was kann ZKB besonders beitragen? Wo besteht weiterer Lern-/Handlungsbedarf?
In einem digitalen World Café wurden die AG-Ergebnisse zusammengetragen und anschließend mit Bodo von Borries (VENRO) und Christof Starke (Friedenskreis Halle) darüber diskutiert, wie es weiter gehen könnte. In diesem Kontext wurde auch diskutiert, wie es mit der Finanzierung von Ziviler Konfliktbearbeitung aus dem Bundeshaushalt angesichts des geplanten 100-Milliarden-Sondervermögens für Sicherheitspolitik weitergehen kann und welche Möglichkeiten es gibt, im Rahmen der Erstellung der Nationalen Sicherheitsstrategie friedenspolitische Ansätze unterzubringen. Den inhaltlichen Abschluss bildete ein Open Space, in dem überlegt wurde, wie das umfangreiche Thema Transformationskonflikte, das auf der Tagung nur angerissen werden konnte, in der Plattform weiter diskutiert werden kann. Es ist denkbar mit der nächsten Jahrestagung inhaltlich daran anzuknüpfen. Carola Hausotter, die zuständige Studienleiterin aus Bad Boll, verwies in ihrem Schlusswort auf zwei zentrale Erkenntnisse: „Lasst uns dorthin gehen, wo es weh tut“ und „Lasst uns kreativ sein“.
Wer sich kreativ in die Vorbereitung der nächsten Jahrestagung, die in Loccum stattfinden wird, einbringen will, ist herzlich eingeladen, sich bei der Geschäftsstelle (kontakt@pzkb.de) zu melden.