Förderprogramm zivik: Porträt von Abeer Madanat und Dr. Sanaa Al Awamleh
Die Unbestechlichen
Abeer Madanat und Dr. Sanaa Al Awamleh setzen sich mit ganzem Herzen für Demokratie, Unbestechlichkeit und die Rechte der jordanischen Gesellschaft ein. Die beiden sensibilisieren insbesondere die Jugend für demokratische Werte und Integrität, da sie die Zukunft des Landes sind. Dies tun sie gemeinsam mit Rasheed (Transparency International-Jordan), eine Non-Profit-Organisation, die seit 2014 einen wichtigen Beitrag zur Korruptionsbekämpfung in Jordanien leistet.
Von Inga Zoller
Abeer Madanat
„Ich gerate in Rage, wenn ich sehe, dass es an Gerechtigkeit mangelt oder die Rechte der Bürger verletzt werden“, sagt Abeer Madanat. Die geschäftsführende Direktorin der Nichtregierungsorganisation Rasheed (Transparency International-Jordan) wuchs in einer Familie auf, die sich sehr für Bürgerrechte einsetzte. „Seit meiner frühen Kindheit habe ich gesehen, wie mein Vater sich der Anliegen der Menschen annahm und sie verteidigte“, erinnert sie sich, „egal, welchen Preis er dafür bezahlte.“ Nach ihrem Studienabschluss in Nachrichtentechnik und anschließend Medizintechnik entschied sich Abeer Madanat, seinem Beispiel zu folgen. Zunächst war sie im öffentlichen Sektor im Bereich Entwicklung tätig. Dann wechselte sie zu Organisationen der Zivilgesellschaft.
Abeer Madanat ist zum Zeitpunkt des Gesprächs Gastgeberin der Summer Integrity School ihrer Organisation. Dazu kommen 15 Jugendliche aus verschiedenen Regierungsbezirken Jordaniens im Ajloun-Waldreservat im Norden des Landes zusammen. Mit der Integritätsschule hat Rasheed ein Projekt ins Leben gerufen, das die Jugend für Fragen zu Unbestechlichkeit, Antikorruptionsarbeit, Menschenrechten, Demokratie, Krisenprävention und Konfliktlösung sensibilisiert. Mit Vorträgen, Workshops und Praxistrainings wird den Teilnehmenden das notwendige Wissen vermittelt und werden sie darin bestärkt, ihre Stimme gegen Bestechung und Unterschlagung zu erheben. Zudem lernen sie die Korruptions-Meldesysteme von Rasheed kennen. „Das Projekt traditionell in einem Konferenzraum abzuhalten, würde unseren Zweck nicht erfüllen“, sagt die Geschäftsführerin. „Die Integritätsschule will nicht nur Werte vermitteln. Es geht auch darum, diese Werte in den Regionen Jordaniens einzuüben und anzuwenden.“
Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International rangiert Jordanien seit mehreren Jahren ungefähr auf Rang 60 von 180 untersuchten Staaten. Rasheed hat sich dem Engagement gegen Korruption und Günstlingswirtschaft verschrieben. „Eine der Grundlagen der Antikorruptionsarbeit ist, dass genug Informationen verfügbar sind“, sagt die Geschäftsführerin. „Deshalb verlangen wir immer, dass Informationen öffentlich zugänglich sein müssen.“ Die Integritätsschulen begreift sie als Samenkörner, aus denen eine neue Basis für Bürgerrechte, Konfliktlösung, Integritätskonzepte und Verantwortlichkeit in der jordanischen Gesellschaft wachsen kann: „Es freut mich zu sehen, dass unsere Werte, die wir in den Integritätsschulen und Jugendprogrammen vermitteln, jetzt Jugendinitiativen in vielen Regierungsbezirken gedeihen lassen.“
Wenn Abeer Madanat ihrer Saat beim Keimen zuschaut — was wünscht sie sich für die Zukunft ihres Landes? „Ich hoffe, dass wir einen Status erreichen, wo sich alle Beteiligten zusammensetzen, um nationale Prioritäten festzulegen“, sagt sie, „und wo alle etwas zu sagen haben: Organisationen der Zivilgesellschaft, der öffentliche und der private Sektor.“
Dr. Sanaa Al Awamleh
„Wir wollen die Menschen in Jordanien erreichen, insbesondere die Jugend“, sagt Sanaa Al Awamleh. „Sie werden die Veränderungen von morgen voranbringen.“ Sanaa Al Awamleh hat selbst nach ihrer Promotion in Betriebswirtschaft einen Freiwilligendienst bei der zivilgesellschaftlichen Organisation Rasheed (Transparency International-Jordan) absolviert. Heute ist sie deren Projektkoordinatorin.
Mit der Integrity Summer School hat Rasheed ein Projekt ins Leben gerufen, das junge Menschen in Jordanien bestärkt, sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen. Die Resonanz darauf ist sehr positiv – 2021 bot die Non-Profit-Organisation mit den Erfahrungen aus den Vorjahren jeweils zwei Sommer- und Winterschulungen an. „In dieser Ausgabe der Integritätsschule haben wir 15 Teilnehmende“, erzählt die Projektkoordinatorin. „Acht von ihnen sind männlich, sieben weiblich.“ Sie beschreibt, welche Bandbreite an Methoden die Schule anbietet. Neben Vorträgen über Themen wie Menschenrechte und Demokratie wenden die Teilnehmenden ihr neues Wissen in Workshops an. Zudem lernen sie in der Praxis, wie man Kampagnen plant und gestaltet. Laut Sanaa Al Awamleh ist die Schule auch eine gute Gelegenheit, um Konfliktlösung zu üben — denn widerstreitende Ideen stünden ohnehin im Raum. Auch Gruppenaktivitäten stehen auf dem Stundenplan: „Dabei lösen die Jugendlichen Probleme im Team“, sagt die Koordinatorin. „Das betont, wie wichtig gemeinsame Ziele sind.“ Sie ist überzeugt, dass „die Schule die jungen Menschen dazu bringen wird, sich zu engagieren, wenn Themen sie etwas angehen“.
So soll das Projekt zu Rasheeds übergeordnetem Ziel beitragen: Korruption in Jordanien zu reduzieren. Als sie die derzeitige Situation in ihrem Land beschreibt, legt Sanaa Al Awamleh den Fokus auf die strukturelle und die gesetzliche Ebene: „Es gibt zahlreiche Aufsichtsgremien für zivilgesellschaftliche Organisationen – und so gut wie keine für Organisationen auf Gemeindeebene. Letztere müssen ihre Entscheidungsfindung nicht offenlegen und werden nicht kontrolliert.“ Für die Transparenz habe Jordanien 2007 ein Gesetz eingeführt, das Zugang zu Informationen garantiere. Dennoch sei der rechtliche Rahmen nicht ausreichend: „Es gibt viele Schlupflöcher“, sagt sie. Günstlingswirtschaft erzeuge zudem ein „Gefühl von Unsicherheit und ungleichen Chancen“. Sanaa Al Awamleh glaubt, dass sich ein kohärentes Jordanien mit nationaler Integrität nur erreichen lässt, wenn der öffentliche Sektor, der private Sektor und die Bürger:innen ihre Kräfte bündeln.
„Es ist uns vollkommen klar, dass es lange dauert, Verhaltensweisen zu verändern“, räumt sie ein. Was motiviert sie, dennoch weiterzumachen? „Was mich antreibt mich für rationale Rahmenbedingungen einzusetzen, sind meine Liebe und Leidenschaft für die Weiterentwicklung der jordanischen Gesellschaft. Und meine Eltern haben mir das Selbstvertrauen gegeben, alles tun zu können.“