16. April 2025

Stellungnahme der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung zum Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD

Friedenspolitische Ansätze werden an den Rand gedrängt – Zivile Konfliktbearbeitung im Schatten militärisch definierter Sicherheitspolitik

Ein Bekenntnis für den Vorrang ziviler Ansätze für Krisenprävention und Friedensförderung sucht man im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vergebens. Die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung kritisiert den Mangel an klaren Impulsen für den Ausbau ziviler Instrumente – stattdessen wird vor allem militärische Stärke betont. Diese wären aber dringend erforderlich, um einer Eskalation weltweit zunehmender Krisen vorzubeugen und die Ursachen von Gewaltkonflikten zu überwinden. Dafür braucht es Diplomatie, die Bereitstellung qualifizierten Personals für internationale Missionen und die Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Initiativen für den Aufbau von Vertrauen und Aussöhnung. Und diese Dinge müssen finanziert werden. 

Frieden wird im Koalitionsvertrag vor allem über Sicherheit und Abschreckung definiert. Das ist eine gefährlich einseitige Perspektive, denn nachhaltiger Frieden braucht Dialog, Gerechtigkeit und starke zivile Strukturen. In einer Zeit tiefgreifender globaler Krisen, zunehmender Spaltung und Gewaltkonflikte sowie politischer Unsicherheit zeigt der Vertrag positive Ansätze, lässt jedoch wichtige friedenspolitische Potenziale weitgehend ungenutzt. Deutschland läuft dadurch Gefahr, seine Rolle als verlässlicher Partner in der internationalen Gemeinschaft und als Vorreiter in der Krisenprävention und Friedensförderung zu verlieren. 

Die vorrangige Betonung von Stärke als Voraussetzung für Frieden wirkt angesichts der aktuellen sicherheitspolitischen Lage zunächst plausibel. Sie greift jedoch zu kurz, da sie ein eindimensionales und defizitäres Friedensverständnis vermittelt. Nachhaltiger Frieden entsteht nicht durch Abschreckung und Aufrüstung, sondern durch den Aufbau gerechter Strukturen, die Förderung von Dialog und Kooperation sowie die Stärkung zivilgesellschaftlicher Teilhabe. Ein solcher Zugang schafft Vertrauen, fördert gesellschaftliche Resilienz und eröffnet gewaltfreie Wege zur Bearbeitung von Konflikten – international wie innerhalb Deutschlands.

Der Vertrag nennt zwar die humanitäre Hilfe und verspricht verlässliches, vorausschauendes Handeln – doch zentrale friedenspolitische Instrumente und Strategiedokumente wie die Leitlinien der Bundesregierung „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ finden keine Erwähnung. Damit droht ein schleichender Abbau friedenspolitischer Kapazitäten, für die Deutschland international hohe Anerkennung genießt. Auch bleibt unklar, wie die angekündigte „auskömmliche Finanzierung“ in Zeiten wachsender Bedarfe konkret ausgestaltet werden soll – insbesondere angesichts geplanter Kürzungen im Bereich öffentlicher Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit (ODA). Zudem wirft die begleitende Debatte um einen „Finanzierungsvorbehalt“ hier Fragen auf. 

Positiv zu werten ist, dass im Koalitionsvertrag die Stärkung der Friedens- und Konfliktforschung genannt wird und dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung seine Eigenständigkeit behalten soll. Dass das BMZ erhalten bleibt, sichert der Entwicklungszusammenarbeit weiterhin eine starke politische Stimme auf Kabinettsebene und verhindert einen politischen Bedeutungsverlust auf Kosten der Ärmsten dieser Welt.   

Gleichfalls ist es positiv zu bewerten, dass die neue Bundesregierung die Beziehungen zu Ländern im Globalen Süden ausbauen und die Aufarbeitung des Kolonialismus intensivieren möchte. In einem solchen Prozess müssen dann bis heute andauernde koloniale Kontinuitäten, die sich in globalen Strukturen widerspiegeln, in den Fokus gerückt werden. Welche Rolle der angekündigten Nord-Süd-Kommission dabei zukommen kann, wird sich zeigen müssen. Entwicklungszusammenarbeit darf jedoch nicht als Instrument zur Steuerung von Migration missbraucht werden. Entwicklungsgelder müssen nach Bedürftigkeit vergeben werden und dürfen nicht an die Bereitschaft von Ländern zur Begrenzung der Migrationsbewegungen geknüpft werden. Eine solches Vorhaben ist zynisch. Es verhindert eine Versorgung der Ärmsten der Armen und unterläuft internationale Menschenrechtsstandards, die das Recht auf Freizügigkeit und Asyl garantieren.

Im Koalitionsvertrag findet sich grundsätzlich ein positives Bekenntnis zur Rolle der Zivilgesellschaft sowohl national als auch international. Doch bleibt dieses Bekenntnis hinter den Erwartungen zurück. Es wird nicht gesagt, wie zivilgesellschaftliche Akteure hierzulande systematischer in politische Prozesse eingebunden werden sollen, wie die Handlungsspielräume von NGOs im Globalen Süden erweitert und wie Menschenrechtsverteidiger*innen besser unterstützt werden sollen.  Die angekündigte konsequente Umsetzung der VN-Resolution 1325 und der Istanbul-Konvention stellt zwar ein wichtiges Bekenntnis zu Frauenrechten und geschlechtergerechter Friedenspolitik dar, reicht jedoch angesichts des rasant voranschreitenden globalen Gender-Backlash nicht aus. 

Die Fortführung des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ ist ein guter Ansatz für die Stärkung zivilgesellschaftlichen Engagements, für Demokratie und Zusammenhalt in Deutschland. Die angekündigte Reform des Gemeinnützigkeitsrechts bietet die Chance, zivilgesellschaftliches Engagement rechtlich abzusichern – insbesondere mit Blick auf politische Bildungsarbeit und die Stärkung demokratischer Kultur. Vor dem Hintergrund der jüngsten Debatte um politische Einflussnahme durch Nichtregierungsorganisationen bleibt zu hoffen, dass die angekündigte Reform des Gemeinnützigkeitsrechts zu einer rechtlichen Absicherung politischer Bildungsarbeit und einer Erweiterung gemeinnütziger Zwecke führt.

Das Bekenntnis der Koalitionspartner zur regelbasierten internationalen Ordnung ist begrüßenswert. Die Stärkung der UNO und ihrer Regionalorganisationen ist dringend und sollte Priorität genießen. Dabei sollte Deutschland seinen Beitrag zur Stärkung multilateraler Strukturen leisten – gemeinsam mit den Ländern des Globalen Südens und im Sinne einer inklusiven Weltinnenpolitik. Dazu gehört eine angemessene Ausstattung von Friedensmissionen mit geschultem Personal für den Aufbau von Institutionen – auch im Bereich von Verwaltung und Polizei. Auch die Unterstützung des Internationalen Strafgerichtshofs muss konsequent ausgebaut und ein ambitioniertes Post-Agenda-2030-Rahmenwerk mitgestaltet werden. 

Als Gesamteindruck bleibt: Der Koalitionsvertrag liefert kaum Anhaltspunkte für eine Politik, die den Erfordernissen von Friedenspolitik im Inneren und Äußeren gerecht werden kann. Das Papier ist von einem Missverständnis geprägt, das den politischen Diskurs insgesamt zunehmend bestimmt: Dass Sicherheit vorrangig militärisch definiert und durch ein mehr an Waffen erreicht werden kann. Dieses (Miss-)Verständnis führt zu falschen Schwerpunktsetzungen und birgt die Gefahr, dass das Bekenntnis zum „Frieden“ als Ziel deutscher Politik zur Floskel wird. Rüstungskontrolle und Abrüstung werden in die Zukunft verschoben – dabei wäre es aktuell wichtiger denn je, sich für die Stärkung von internationalen Foren einzusetzen, die die Überprüfbarkeit, Transparenz und Vertrauensbildung gewährleisten können, um ein ungebremstes Wettrüsten im atomaren und konventionellen Bereich zu verhindern. Handlungsbedarf besteht auch im Bereich der Kontrolle von Rüstungsexporten: sie dürfen nicht als Mittel der Außen-, Wirtschafts- und Sicherheitspolitik betrachtet und forciert, sondern müssen streng überwacht und im Einklang mit internationalen Abkommen gestaltet werden. 

Frieden ist Aufgabe von Politik und Gesellschaft. Um Beiträge zu Krisenprävention und Friedensförderung effektiv zu gestalten, ist ein fortlaufender Austausch von Erfahrungen sinnvoll. Die Plattform ZKB hat dazu bereits intensiv mit dem Bundestag und den Ministerien kooperiert und wird auch die neue Bundesregierung gern bei der Gestaltung von Instrumenten zur gewaltfreien Bearbeitung von Konflikten im In- und Ausland unterstützen.