14. November 2021

Das humanitäre Drama an der polnisch-belarussischen Grenze muss beendet werden!

Pressemitteilung des Bunds für Soziale Verteidigung

Tausende Menschen, vorwiegend aus Ländern des Nahen Ostens, stecken zum Teil seit Wochen im Niemandsland zwischen Polen und Belarus oder im polnischen Sperrgebiet fest – ohne humanitäre Versorgung, ohne Zugang zu Lebensmitteln, Trinkwasser, sanitären Anlagen, Medikamenten und ohne Schutz vor der Kälte. Unabhängige journalistische Berichterstattung wird aktiv von Seiten beider Länder unterbunden.

Diese humanitäre Katastrophe geht der Friedensorganisation Bund für Soziale Verteidigung (BSV) auch deshalb so nah, da sie seit mehr als zehn Jahren ein Projekt in Belarus hat. Viele Oppositionelle leben in den EU-Staaten Polen und Litauen, so auch einige Aktive der Projektpartner des BSV. Zudem pflegt die Stadt Minden, in der der BSV seine Geschäftsstelle hat, eine Städtepartnerschaft mit der belarussischen Grenzstadt Grodno.

Derzeit weigert sich insbesondere Polen, aber auch andere EU-Staaten, wirksame humanitäre Hilfe zu leisten. Hilfsorganisationen werden nicht zu den Menschen gelassen. Vielmehr gehen belarussische und polnische Soldat*innen und Polizist*innen gewaltsam gegen die flüchtenden Menschen vor. Das ist ein Skandal und muss sofort beendet werden.

Der BSV fordert von der polnischen Regierung

  • 1. die Zulassung von medizinischen und humanitären Hilfsorganisationen im Sperrgebiet;
  • 2. die Beendigung der völkerrechtswidrigen Push Backs von Geflüchteten, die nach Polen gelangt sind, zurück nach Belarus;
  • 3. die vorübergehende Aufnahme und Registrierung von Geflüchteten in grenznahen Lagern und, von dort aus, die rasche Verteilung in aufnahmewillige Länder Europas. Eine Rückführung in die Heimatländer, wie sie derzeit diskutiert wird, kann insbesondere für Kriegsdienstverweigerer oder andere unmittelbar verfolgte Menschen keine Option sein. Wenn bereits Verwandte der Geflüchteten in EU-Ländern leben, sollte die Familienzusammenführung Priorität haben. Mehrere Kommunen in Deutschland haben bereits zugesagt, Flüchtende aus der Region aufnehmen zu wollen.

„Ohne diese Maßnahmen befürchten wir“, so Stephan Brües, Ko-Vorsitzender des BSV, „dass neben den vielen Toten, die im Mittelmeer ertrinken, nun Menschen an der EU-Außengrenze im Wald an Unterkühlung oder Hunger sterben könnten. Erste Opfer sind bereits zu beklagen. Weitere dürfen wir nicht zulassen.“

Als Friedensorganisation, die für konstruktive Konfliktbearbeitung eintritt und national wie international Schritte in diese Richtung auf den Weg gebracht hat, fordert der BSV die deutsche Regierung und die EU auf, sich beim Umgang mit dem belarussischen Machthaber Lukaschenko nicht auf Sanktionen zu beschränken. Vielmehr muss auch mit Lukaschenko das Gespräch gesucht werden. Dabei müssen folgende Ziele prioritär sein:
1. Medizinische und humanitäre Versorgung der in Belarus gestrandeten Geflüchteten;
2. Beendigung der visafreien Einladungspolitik für Fluchtwillige.

„Uns ist dabei bewusst, dass diese Forderung aus der Sicht belarussischer Oppositioneller und auch unserer Projektpartner*innen angesichts der Repression Lukaschenkos schwer erträglich ist“, sagt die BSV-Ko-Vorsitzende Outi Arajärvi. „Andererseits sehen wir angesichts der humanitären Notlage keinen anderen Weg, als diesen Akteur des Geschehens in die Bearbeitung des Konfliktes einzubeziehen.“

Zudem müssen unangemessene Kriegsrhetorik und die Entmenschlichung von Geflüchteten unterlassen werden. Flüchtende Menschen sind weder Waffen noch Teil einer sogenannten „hybriden Kriegsführung“, wie etwa von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen oder dem brandenburgischen Innenminister Michael Stübgen behauptet. Sie sind Schutzsuchende, die ein Recht auf ein faires Asylverfahren haben.

Und auch die Europäische Union trägt eine direkte Mitschuld an der Situation. Nur aufgrund der inhumanen Asylpolitik der EU und ihrer Mitgliedschaftsstaaten ist Lukaschenko überhaupt in der Lage, politischen Druck auf die EU auszuüben. Gäbe es legale Fluchtwege und eine humanitäre Asyl- und Einwanderungspolitik, würde das Vorgehen Lukaschenkos gänzlich ins Leere laufen.

Umso wichtiger ist es, erstens die akute Not der Menschen an der polnisch-belarussischen Grenze zu beenden und zweitens die EU-Asyl- und Einwanderungspolitik tatsächlich an dem auszurichten, was die EU als ihre Werte angibt: Menschenrechte.

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