Deutsche Verantwortung – Zäsur oder Kontinuität?
Vorstand und Redaktion von W&F waren bei der Jahresplanung 2015 relativ schnell einig: „Wir müssen was zur deutschen Rolle in der heutigen Welt machen.“ Ausgangspunkt der Diskussion waren die programmatisch anmutenden Reden dreier deutscher PolitikerInnen auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014, in denen das veränderte Gewicht Deutschlands in Europa und der Welt beschworen und daraus ein »Mehr an Verantwortung« abgeleitet wurde.
Bei der Vorbereitung des vorliegenden Heftes sind wir aber rasch darauf gestoßen, dass eine solide Einschätzung der Rolle Deutschlands schwieriger ist als gedacht. Weil die Reden der Konferenz doch nur eine Momentaufnahme darstellen, weil eine Reihe von Ereignissen – Ukrainekrise, Islamisches Kalifat in Nahost, Flüchtlingsdrama – einschneidende Prozesse in Gang gesetzt hat, die nicht so einfach zu erfassen sind, und weil die Bundesregierung diesbezüglich durchaus widersprüchliche Signale aussendet. Wir haben uns daher vorgenommen, eher eine Annäherung an das Thema zu versuchen. Am Anfang des Schwerpunktthemas stehen daher pointierte und kontroverse Statements zu der Frage, ob »München« eher für eine Zäsur oder doch eher für ein Kontinuum der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik steht. Die Folgebeiträge brechen diese Frage, direkt oder indirekt, herunter auf sicherheits- und militärpolitische Entwicklungen der jüngsten Zeit. Diese wiederum stehen in engem Zusammenhang mit dem wieder aufgebrochenen großen Konflikt zwischen den NATO- und den EU-Mitgliedsstaaten auf der einen Seite und Russland auf der anderen sowie mit den immer weiter eskalierten Gewaltszenarien vor allem in Nahost. Es ergeben sich einzelne Mosaik-Teile, ein fertiges Bild fügt sich daraus (noch) nicht zusammen. Aber vielleicht liegen die Widersprüche in der Sache selbst?
(Auszug aus dem Editorial des Heftes von Paul Schäfer)